"Das polygonal ausgeformte, leicht und transparent wirkende Gehäuse der Kanzel aus Stahl und Glas zieht alle Blicke auf sich. Sie gibt dem schlichten, langgestreckten Baukörper, der auf Höhe des Ablaufberges (mit fünf Metern über Niveau eher ein Hügelchen) platziert ist, einen heiteren Akzent. Freilich: Die Kanzel hat ihren vormals so gewichtigen Status als Feldherrenhügel für Eisenbahner längst eingebüßt. Denn tatsächlich haben hier riesige Schaltpulte und wild piepende Computer das Regiment über die 356 Weichen übernommen. Das dritte Obergeschoß gehört denn auch nur dem dazugehörigen Computer-Personal. Darunter liegen auf drei Ebenen vor allem technische Räume, Sozialbereiche, Schulungsräume und Büro-Zellen. Dazu gibt es ein Kältemaschinenhaus ("Prellbock") und eine niedrige Werkstätte ("Tender"). In der Seitenansicht ergibt das Ganze also - eben! eine stilechte Lokomitove. "Um einen wirtschaftlichen Bauunterhalt zu gewährleisten", so der Wunsch des sparsamen Bauherrn, wurde das Stellwerk, das den gekrümmten Schienensträngen wie selbstverständlich folgt, mit einem zweischaligem Mauerwerk und blechernen Tonnendächern eingekleidet. Aber dieses preiswerte Kleid steht den Bauten gut. Dazu lockern Ziegelbänder den Sockelbereich auf. Der disziplinierte Bau wirkt dabei recht zurückhaltend, aber nicht einfallslos - denn auf das wohl durchdachte Detail, etwa bei der formalen Ausführung der Tür- und Fensterkonstruktionen, wollten die Baumeister inmitten dieser Schienen-Tristesse nicht verzichten. Zu Recht. Eine strenge, wohlkalkulierte Architektur - die dennoch nicht auf eine heitere Note verzichtet; eine expressive Form, die viel über das Innenleben verrät - aber dennoch spannend, fremd, eben technisch wirkt; und eine Baukunst, die sich mit dem Ort und der Geschichtlichkeit der Bauaufgabe auseinandersetzt."
Gerhard Matzig Bauwelt 37/1993
Bundesbahndirektion München
Lenz Lehmair, Jan Koss, Helmut Sprotofski